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Bekleidungssysteme in der Technischen Sauberkeit

Studie veröffentlicht im Oktober 2022,
issue 10 im Journal für Oberflächentechnik

link.springer.com/journal/35144/volumes-and-issues

Der Einfluss von Bekleidung auf die Technische Sauberkeit

Nicht nur im Reinraum, sondern auch in den Sauberkeitsbereichen, zum Beispiel in der Automobilindustrie, spielt der Mensch als Kontaminationsquelle eine Rolle. Ein korrekt ausgewähltes, auf den Prozess und dessen Spezifikationen abgestimmtes Bekleidungssystem trägt zur Vermeidung derartiger Verunreinigungen maßgeblich bei, so die Ergebnisse einer Studie, die nach einer neuen Messmethode durchgeführt wurde.

In den Reinraumbereichen spielt der Mensch als Kontaminationsquelle eine große Rolle [1]. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss ebenfalls in den Sauberkeitsbereichen der Automobilindustrien [2]. Das Personal kann nicht nur für die Fertigung, sondern auch für das Endprodukt kritische, teilweise funktions- oder sicherheitsrelevante Verunreinigungen einbringen. Sowohl in Reinraum- als auch in Sauberkeitsbereichen trägt ein korrekt ausgewähltes, auf den Prozess und dessen Spezifikationen abgestimmtes Bekleidungssystem zur Vermeidung derartiger Verunreinigungen maßgeblich bei. Bislang gab es hierzu weder eine Messmethodik noch Daten.
 

Forschungslücke geschlossen
In der hauseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Dastex werden seit 2004 Body-Box Studien durchgeführt [3]. Diese erfolgen zu internen Fragestellungen oder auf Anfragen von Kunden. Hierbei lag der Fokus bislang auf einem Partikelgrößenspektrum von ≥ 0,5 μm bis ≥ 10 μm (nach DIN EN ISO 14644) und bei einigen Studien auf der Erfassung der Keimzahl mittels BioTrak und Keimzählern (nach GMP Leitfaden). Mit der nun in Kooperation mit der CleanControlling GmbH eingeführten Methode wird der Partikelgrößenbereich nach oben hin bis zu einer Partikelgröße von ≥ 3.000 μm ausgeweitet und somit eine Forschungslücke geschlossen. Die Body-Box-Messmethode für den Bereich Technische Sauberkeit nach VDA Band 19 wurde in einer ersten Studie erfolgreich umgesetzt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, welche Reinraumbekleidungssysteme im Bereich der Technischen Sauberkeit eingesetzt werden sollten.

Als erste Studie mit der neu integrierten Messmethode wurde eine vergleichende Studie verschiedener Bekleidungskonzepte durchgeführt (Tabelle). Hinzu kam bei zwei der Bekleidungssysteme der Vergleich zwischen neuer Oberbekleidung und 60-fach dekontaminierter Oberbekleidung.

 

Es wurde für den Kittel bewusst ein Reinraumtextil ausgewählt, das für den Einsatz in Luftreinheitsklassen EN ISO 14644-1 4 und schlechter empfohlen wird und für den Overall ein Reinraumgewebe für die Klassen 8 + 9. Hierdurch soll gezeigt werden, wie sich ein Overall mit einem höheren Tragekomfort im Vergleich zu einem Kittel mit einer höheren Filtrationseffizienz verhält. Daraus geht hervor, welchen Einfluss der Schnitt auf die Sauberkeit haben kann. Ebenfalls soll in der Studie gezeigt werden wie sich eine Reinraumzwischenbekleidung, wenn diese anstelle von Straßenbekleidung unter einem Kittel getragen wird, auf das Kontaminationsrisiko auswirken kann.


Ergebnisse

Das Ergebnis der Studie: Das bloße Tragen eines Kittels über der Straßenbekleidung reicht nicht aus. Hierdurch wird bei Betrachtung des gesamten Partikelgrößenbereichs zwar eine Reduktion um 63 % erreicht, die großen Partikel fallen jedoch weiterhin einfach unten aus dem Kittel heraus. Dies erklärt die Verbesserung um gerade mal 4 – 17 % bei den Partikelgrößenbereichen > 100 µm beziehungsweise > 400 µm. Wird die Straßenbekleidung durch eine Reinraumzwischenbekleidung ersetzt, wird eine deutlich höhere Reduktion von bis zu 99 % erreicht. Eine ähnlich gute Reduzierung der Partikelwerte wird erzielt, wenn ein Overall aus ION-NOSTAT LS Light 125.2 über der Straßenbekleidung getragen wird. Bei dieser sehr geringen Anzahl von Partikeln kann keine Aussage darüber getroffen werden, welches der beiden Bekleidungssysteme „besser“ ist. Sie zeigen beide sehr gute Ergebnisse, welches der beiden in der jeweiligen Produktion eingesetzt werden sollte, hängt von weiteren vom jeweiligen Prozessabhängigen Faktoren ab.

Wie das Bekleidungssystem-Ranking (Bild) veranschaulicht, wurden mit 0 – 6 Partikel/ Minute (je nach Partikelgrößenbereich) beim Einsatz eines Kittels aus ION-NOSTAT VI.2 in Kombination mit einer Reinraumzwischenbekleidung am wenigsten Partikel detektiert. Dicht gefolgt von den Werten des ION-NOSTAT LS Light 125.2 Overall mit 5 –48 Partikel/Minute (je nach Partikelgrößenbereich). Gleichzeitig bietet das Textil einen sehr hohen Tragekomfort. Die Straßenbekleidung gibt wie zu erwarten mit 59 beziehungsweise 198 Partikel/ Minute am meisten Partikel ab. Wobei an dieser Stelle ergänzend zu erwähnen ist, dass es sich um einen frisch gewaschenen Baumwoll-Jogginganzug handelte, welcher nur in der Body-Box getragen wurde. Bei normaler Straßenbekleidung ist mit einer deutlich höheren partikulären Kontamination zu rechnen. Hier kommen Straßenverschmutzungen, Kontaminationen von beispielsweise Haustieren und viele andere mehr hinzu. All diese Partikel fallen unten aus dem Kittel heraus, weshalb die Partikelwerte der Straßenbekleidung + Kittel mit circa 32 – 165 Partikel/Minute trotz des hochwertigen Reinraumtextils ION-NOSTAT VI.2 hoch sind. Kontaminationen, welche nach unten fallen sedimentieren nicht automatisch auf den Boden und bleiben erst recht nicht unbeweglich dort liegen. Je nach Partikelart schweben Partikel lange in der Luft. Durch Bewegungen Gehbewegungen von Personal, Luftströmungen et cetera) werden die Partikel mit den Luftströmungen aufgewirbelt und können sich auf den Arbeitsbereichen und somit auf den Produkten ablagern. Von einem Einsatz einer Straßenbekleidung-plus-Kittel-Variante ist daher ab einer gewissen geforderten Sauberkeit unbedingt abzuraten.


Fazit und Ausblick

Die vorliegenden Ergebnisse aus der ersten Studie zeigen deutlich, welche Bekleidungssysteme für welche Bereiche gewählt werden sollten. Zudem zeigt sich, welchen Einfluss das Textil und welchen Einfluss der Schnitt auf die Reinheit hat. Je nachdem wie die individuellen Anforderungen spezifiziert wurden können verschiedene Bekleidungssysteme die Kontaminationsquelle Mensch im Sauber- und Reinraum eindämmen.

Die eingeführte Messmethode schließt die bisherige Lücke und ermöglicht somit die praxisnahe Ermittlung von Partikelwerte bis zu einer Größe von ≥ 3000 µm. Aus der eingesetzten Messmethodik resultiert nicht nur eine quantitative Auswertung, sondern es kann bei Bedarf und Sinnhaftigkeit ebenfalls eine Aufteilung in die einzelnen Partikelarten erfolgen. Sollte sich ein Anwender dazu entschließen, eine Studie mit bereits in der Produktion getragener Bekleidung durchzuführen, könnten gegebenenfalls Rückschlüsse auf die Entfernung von metallischen Partikeln durch die Dekontamination gezogen werden. Es ist durchaus denkbar, dass metallische Partikel in den Fasern haften und erst durch die Bewegung des Mitarbeiters herausgelöst werden. Über eine entsprechende Studie könnten beispielsweise maximale Tragezyklen definiert werden oder gegebenenfalls das Bekleidungssystem an den beanspruchteren Stellen optimiert werden.


Literaturhinweise

[1] Moschner, C. (2010). Kontaminationsquelle Mensch – Partikelemissionen durch den Menschen. ReinRaumTechnik, 01, 30-33
[2] Verband der Automobilindustrie e. V. (2010). Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie – Band 19 Teil 2 Technische Sauberkeit in der Montage
[3] Moschner, C. & von Kahlden, T. (2004). Body-Box-Test: Eine Testmethode auf dem Prüfstand. ReinRaumTechnik, 02, 38-39


Alina Kopp, Carsten Moschner, Volker Burger

Die Autoren danken Jonas Jost für die Durchführung der Messungen im Rahmen seiner Bachelor-Thesis an der Hoch- schule Albstadt-Sigmaringen, Fakultät Life Sciences.

Zur ausführlichen Publikation

Die korrekte Wahl: Bekleidungssysteme in der Technischen Sauberkeit – erste Body-Box Studie mit Erfassung eines Partikelgrößenbereichs ≥ 0,5 µm bis > 3.000 µm

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